Berni Bernegger

Komische Angewohnheiten in Österreich

Heute an diesem wunderschönen Tag habe ich beim Frühstück eine Idee geboren und will mich im Skigebiet in Gastein umhören, was die Allgemeinheit dazu zu sagen hat. Sozusagen eine Pistenumfrage starten, und zwar zu dem Thema: Seltsame Angewohnheiten von Österreicherinnen und Österreichern. Mit meinen Atomic-Skiern und meinem Hirn als Notizblock bewaffnet mache ich mich auf den Weg um die Gäste auf den Pisten von Ski amadé zu fragen, welche seltsamen Angewohnheiten wir wohl so an den Tag legen.

Grantige Herzlichkeit

Weil das Wetter großartig ist und ich die Zeit am Morgen noch ausnutzen will, schnalle ich nach der Bergfahrt mit der Senderbahn vom Skizentrum Angertal meine Skier nur ganz kurz an und gehe gleich anschließend schnellen Schrittes zur Hängebrücke. Ein Foto von mir mit Panorama im Hintergrund solls sein und drum bitte ich eine Dame mittleren Alters mit Fellmütze und Moonboots (sie hatte heute nur einen Spaziergang am Gipfel geplant) ein Foto von mir zu schießen. Ich bedanke mich und frage sie gleichzeitig nach ihrer Meinung zu den österreichischen Angewohnheiten. Sie blickt kurz verwirrt drein, dreht nachdenklich den Kopf und erwidert dann, dass sie die grantige Herzlichkeit hier sehr schätzt.

Jetzt bin ich dran mit verwirrt dreinblicken, woraufhin sie mir erklärt, dass ihr erstes Zusammentreffen mit Österreichern sehr seltsam für sie war. Denn sie kommt aus Italien und die Menschen dort sind immer ab der ersten Begegnung seh offen. Das können die Österreicher nicht, doch wenn man mit guter Laune zurückantwortet, dann lernt man die herzliche und warme Seite der Menschen hier kennen und das kann ganz oft sehr schnell gehen. Jetzt verstehe auch ich, setze mein wärmstes Lächeln auf, bedanke mich und mach mich an die Abfahrt zur Stubnerkogel-Mittelstation.

Reine Luft… die Luft ist hier so rein!

Beim kurzen Anstellen an der Gondel trau ich mich weiterzufragen und erwische einen Gast aus Amerika der die weite Reise nach Gastein angetreten hat. Mit ihm steige ich in die Gondel und er hat eine klare Meinung zu dem was gar nicht geht – nämlich immer dann, wenn es gerade warm im Raum wird, das Fenster aufzureißen. Grinsend blicke ich zu den kleinen Gondel-Fenstern und hüte mich aufzustehen und sie aufzumachen. Ich will ihm erklären, dass wir das tun um frische Luft zu bekommen, dass das gesund sei und schon fällt er mir ins Wort und ruft schon fast „Yes I know, that’s what everyone tells me, but it’s so cold outside!“. Alle Erklärversuche helfen nichts, nein – Kälte muss draußen bleiben und basta. Okay, mit dem kann ich leben und freu mich schon bei der Einfahrt in die Bergstation darauf, die kalte Winterluft wieder in meine Lungen zu lassen, während ich die schwarzen Pisten hinunterjage.

Jetzt wollen die auch noch mit Karte zahlen…

Nach vielen Abfahrten von ganz oben bis ganz ins Tal (mit Tausend Höhenmeter Unterschied vom Berg bis ins Tal) bin ich ganz hungrig und entscheide mich in der Weitmoser Schlossalm einzukehren. Marie*, eine fesche blonde Schwedin mit rosa Skianzug, die sich mit ihrer Boarder-Crew zu mir an den Tisch gesetzt hat, erzählt mir, das Seltsamste für sie sei, dass es in Österreich noch immer viele Boutiquen, Restaurants oder auch so manche Hütten gibt, die keine Karte akzeptieren oder Bargeld sehr stark bevorzugen. Denn in Schweden sei es eigentlich umgekehrt – Bargeld zu verwenden kennt man da eher nur von Touristen. Zustimmendes Nicken kommt von der gesamten Crew, was mich dazu veranlasst zum Abschied eine Runde Likör (sozusagen als Ausgleich) zu zahlen – Gott sei Dank ist die Bezahlung mit Karte hier kein Problem ;-)

Magst eh noch was oder?

Weiter geht die Reise und beim Schlepplift, der mich dann auf die Piste zurück Richtung Angertal bringt. Hier habe ich mich bei einem graubärtigen Tschechen mit krummer Nase eingehakt und mit ihm in leichter Hocke den Anstieg genommen. Auf meine Frage hin hat er geantwortet, dass er schon seit Jahren nach Österreich kommt und immer in einer familiengeführten Pension schläft. Über die Jahre hat er viel von der Familie mitbekommen und durfte auch das ein oder andere Mal mit am Esstisch sitzen. Laut ihm gehört es zur guten Österreichischen Art, dass egal wer zu Besuch kommt, niemals mit leerem Magen oder durstig nach Hause gehen darf.

Was wir von unseren Besuchen bei Oma kennen, kennt er von den Österreichern generell – Hauptspeise, Kuchen und Kaffee sind das absolute Minimum, das man hierzulande Gästen anbietet und ein Nein wird nicht akzeptiert. „Und ein guter Schluck Bier darf natürlich auch nicht fehlen“, ruft er mir noch augenzwinkernd hinterher, als ich Richtung Angertal abbiege und ihn winkend zurücklasse.

GRÜSSGOTT & GESUNDHEIT!

Und am Ende schnappe ich mir noch die letzte Gondel der Senderbahn Richtung Berg und hier überhöre ich das Gespräch von zwei englisch-sprachigen Jungs. Und jetzt haltet euch fest, sie reden genau über das Thema des Tages! Denn was sie als komisch empfinden ist unsere überraschend höfliche Art in manchen Dingen, naja eigentlich laut ihnen nur bei einer: Grüßen.

Der eine der beiden Jungs hat mit erstaunter Stimme erzählt, dass egal zu welcher Tages- und Nachtzeit, ob morgens, mittags oder abends wann immer ein Österreicher den Raum betritt, wird lautstark die ganze Gesellschaft begrüßt. Mit großen Augen erwidert der zweite, dass ihm dasselbe passiert sei, aber immer nur dann, wenn er geniest habe, was er nicht versteht! Ich hebe verwirrt den Kopf und blicke die beiden Jungs an, die erst jetzt zu realisieren scheinen, dass ich ihnen die ganze Zeit über zugehört habe. Lächelnd erkläre ich ihnen, dass sich wohl das Wort „Grüßgott“ und „Gesundheit“ für sie ähnlich anhören muss und wieso wir sowohl das eine als auch das andere lautstark bei passender Gelegenheit verwenden – und zwar, weil sich‘s so gehört :-)

Mich verabschiedend verlasse ich die Gondel und als ich nach meinem Ski greifen will, verirrt sich wohl eine Schneeflocke in meine Nase und bringt mich zum Niesen. Lautstark höre ich ein dreifaches GESUNDHEIT! vom Seilbahnmitarbeiter und den zwei britischen Jungs. Grinsend streck ich den Daumen hoch und mach mich schließlich an die letzte Talbfahrt des Tages.

* Der Name wurde auf Wunsch der Dame und aus DSGVO-Gründen geändert.

Berni Bernegger

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